"Zwischen Lehár und Mozart"

Mehrzad Montazeri im Gespräch mit Herrn Derek Weber
des Theater- und Kulturmagazins „Bühne“ Nr. 9/2005

Mehrzad MontazeriEs kommt immer auf den Kontext an, wie jemand wahrgenommen wird. Bei dem in Teheran geborenen Tenor Mehrzad Montazeri würde wahrscheinlich jeder österreichische Musikfreund auf die Kategorie „Operettentenor“ tippen – und damit ziemlich falsch liegen. Aber hierzulande hat man den Sänger fast ausschließlich über die Operette kennengelernt: Als Octavio in Franz Lehárs Giuditta in Mörbisch, in der Volksoper in Kálmáns Herzogin von Chicago als Sándor Boris; und im Sommer 2005 im Open-air in der Krieau, wo er in der Csárdásfürstin zu sehen war. Im Herbst verkörpert er an der Volksoper in der Übernahme der überschwänglich akklamierten Klang-Bogen-Inszenierung von Michael Schottenberg den Titelhelden in Léhars Grafen von Luxemburg.
           
 Graf v. Luxemburg - RenéPersönliche Premiere.  Für Montazeri wird die Partie des René Graf auch eine persönliche Premiere sein. Er hat diese Rolle noch nie gesungen und auch bewusst darauf verzichtet, sich die Produktion im Theater an der Wien anzuschauen. „Ich möchte niemanden nachahmen“, meint er. „Ich will, wenn ich auf der Bühne stehe, ich selber sein.“
            Wie kommt ein Sänger persischer Abstammung überhaupt zur Operette, zu einem Metier, in dem Deutschsprechen von eminenter Wichtigkeit ist? Ganz einfach: Montazeri ist in Österreich aufgewachsen, lebt seit dreißig Jahren hier, ist mit einer Österreicherin verheiratet und ist österreichischer Staatsbürger. Auch studiert hat er in Wien und hier sein ersten Bühnenerfahrungen gesammelt – nicht auf dem Terrain der Operette, sondern beim Musical: er sang zwischen 1989 und 1991 mehrere kleine Rollen im Phantom der Oper im Raimundtheater und im Theater an der Wien.
           
La Traviata - AlfredoItalienische Partien.  Dann allerdings zog es ihn nach Deutschland  - der Oper wegen, und beileibe nicht in leichtgewichtigen oder komischen Rollen. Feste Engagements hatte er in Ulm, Freiburg, Mönchengladbahch und Wiesbaden. Gastiert hat er an wichtigen deutschen Bühnen wie Stuttgart, Düsseldorf oder Köln, aber auch an der Pariser Opéra Bastille und Florenz unter Zubin Mehta. „Ich habe in diesen Städten fast alle großen lyrisch-dramatischen italienischen Partien gesungen. Den Duca in Rigoletto, den Alfredo in La Traviata, den Rodolfo in La Bohéme, den Fenton in Falstaff; aber auch den Hans in der Verkauften Braut, Mozart-Rollen wie Belmonte, Tamino oder Titus und deutsche Partien wie den Max im Freischütz bis hin zum Lohengrin.“ Auch Opern des 20. Jahrhunderts wie Zemlinskys Zwerg finden sich in seinem Repertoire.
           
Giuditta - mit N. UshakovaHohes Niveau.  Dennoch hält Montazeri viel von dem Satz „Verachtet mir die Operette nicht!“ Die Operette sei, so sagt er, „sängerisch fast schwerer als die Oper. Sie fordert einen vor allem deshalb heraus, weil man viel und gut sprechen und darstellerisch auf höchstem Niveau agieren muss. Man muss in der Operette achtzig Prozent mehr geben als in der Oper, sonst erreicht man sein Publikum nicht. Ich bin sicher, dass die Wertschätzung der Operette wieder zunehmen wird. Am meisten liebe ich die Operette und Mozart.“
           
Carmen - Don JoséFix an der Volksoper.  Für die nun beginnende Saison 2005/2006 hat Montazeri, der seit Jahren frei arbeitet, wieder ein fixes Engagement angenommen: „Ich singe so viel an der Volksoper, dass ich gar keine Zeit für auswärtige Aktivitäten hätte. Außerdem bin ich froh, wenn ich öfter bei meiner Frau und meinen beiden Söhnen sein kann.“ Neben dem René im Grafen von Luxemburg wird er ab Jänner wieder den Sándor Boris in der Herzogin von Chicago singen und Ende Mai den anderen Operetten-Sándor, den Sándor Barikay in der Neuinszenierung von Johann Strauß´  Zigeunerbaron.
Dazu wird er sich dem Wiener Publikum in zwei Opernrollen vorstellen: Als Lyonel in Flotows Martha und als Don José in Carmen Ende 2006, „leider auf deutsch“, wie er frank hinzufügt, „ich singe diese  Partie lieber auf französisch“.
           
Butterfly - PinkertonVielseitigkeit.  Auf seine Vielseitigkeit legt er großen Wert. „Früher war es üblich, dass man seine Rollen breit gestreut hat. Rudolf Schock hat Operetten genauso gesungen wie Smetana oder den Lenski in Eugen Onigen und Wagner-Partien. Mir macht es riesigen Spaß, die für mich richtige Mischung zu finden. Ich habe auch nichts dagegen, dass man mich in Österreich unter die Operettentenöre einreiht. Ich bin stolz darauf, dass ich über genug Ausstrahlung verfüge, um solche Rollen singen zu dürfen. Es gibt sowieso zu wenig Operettentenöre. Außerdem finde ich, dass man Das Land des Lächelns oder den Zigeunerbaron musikalisch durchaus auf eine Stufe mit Rigoletto stellen kann.“
           
DVD - Herzogin v. ChicagoModerne Regie.  Zu  dem, was man gemeinhin „moderne Regie“ nennt, hat Montazeri ein distanziertes Verhältnis. „Ich habe da meine Erfahrungen“, sagt er. „Ich mag es vor allem nicht, wenn Figuren zerstört und willkürlich unsympathisch gemacht werden. Einmal habe ich einen Max im Freischütz gesungen, der sich am Schluss erschießen musste. Das tue ich nie wieder. Ich habe gelernt, auch nein zu sagen. Einmal hat man mir Schönbergs Moses und Aaron angeboten, da hätte ich nackt über die Bühne gehen sollen. Aber das kommt für mich nicht in Frage.
            Auch auf DVDs ist Mehrzad Montazeri zu erleben: in der Mörbischer Giuditta als Octavio, als Pedrillo in Mozarts Entführung aus dem Serail unter Zubin Mehta und in der Volksopern-Produktion der Herzogin von Chicago, die im Rahmen der Wiener Festwochen vor dem Wiener Rathaus auf der Großleinwand vorgestellt wurde. Weiters gibt es auch einige CD-Produktionen.